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August 05, 2021

Wie baut man eine „Hurrikan-sichere“ Photovoltaik-Anlage?, Dr. Zapfe?

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Kirchdorf/Haag (Germany), June, 2022. Aus Ertrags-Gesichtspunkten ist die Äquator-Region für Photovoltaik-Anlagen der ideale Standort. Nirgendwo auf der Welt sind die Sonnenschein-Dauer und -Intensität so hoch wie in den Tropen. Allerdings gibt es einen Haken: Im Spätsommer und Herbst kommt es dort regelmäßig zu tropischen Wirbelstürmen mit Windgeschwindigkeiten von über 200 Kilometern pro Stunde. Dadurch drohen gravierende und kostspielige Schäden. Wie sich dort dennoch „Hurrikan-sichere“ Photovoltaik-Anlagen errichten lassen und worauf es dabei ankommt, erläutert Cedrik Zapfe, Sachverständiger und CTO der Schletter Group.

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Schletter-Anlage auf den Niederländischen Antillen nach dem Durchzug des Hurrikans Irma: Schäden an Bäumen und Gebäuden, aber PV-System völlig intakt.

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60-MW-Anlage "Monte Christi" mit P&S Solar auf Schletter-Systemen in der Dominikanischen Republik nach dem Durchzug eines Hurrikans: Bodenerosion durch Starkregen, aber keine Sturmschäden an der Anlage. (© P&S Solar)

1. Lokale Normen beachten

In den meisten Ländern gibt es lokale Normen, die unter anderem Bezug auf die in der Region einwirkenden Windlasten nehmen. Diese Normen bilden die Grundlage für die statische Berechnung der Anlage. Daraus ergeben sich zum Beispiel der Pfostenabstand für die Freilandgestelle und die nötigen rechnerischen Nachweise für die Modulklemmen und viele Dinge mehr.

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Bei hohen Windlasten wirken enorme Hebelkräfte auf Pfosten und Fundamente.

2. Bodenbeschaffenheit prüfen

Die beste statische Berechnung ist allerdings Makulatur, wenn die Anlage im wahrsten Sinne des Wortes „auf Sand gebaut“ ist. Denn alle Kräfte, die auf die Anlage einwirken, müssen von den Pfosten aufgenommen und in den Boden abgeleitet werden. Und der Boden ist bei hohen Windgeschwindigkeiten oft das schwächste Glied der Kette. Fegt ein Hurrikan über die Solarmodule, kommt es – ähnlich wie bei einer Flugzeugtragfläche – zu einem Sogeffekt. Auf die Fundamente der Anlage wirken enorme Zug- und Hebelkräfte, die dazu führen können, dass sie sich lockern oder sogar aus dem Boden herausgezogen werden.
 

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Auszugstests helfen bei der Auswahl der richtigen Fundamente und Fundamenttiefen.

Die Grundlage jeder seriösen Planung ist deshalb eine genaue Untersuchung der Bodenverhältnisse. Dies geschieht in der Regel im Wege eines geologischen Gutachtens, das unter anderem Aufbau, Zusammensetzung und die Porosität des Bodens analysiert. Das Gutachten erstellt entweder ein spezialisierter Dienstleister oder der Montagehersteller – sofern er über die entsprechende Erfahrung verfügt. Daraus ergibt sich ein Lastenheft für die Gesamtstatik der Anlage inklusive der nötigen Nachweise.

3. Statische Berechnung – die Grundlagen kennen

Bei der anschließenden statischen Berechnung der Anlage kommt es zunächst darauf an, die sogenannte Lasteinwirkungsseite genau zu verstehen: Wo wirken Windlasten und vor allem wie. Die zu erwartenden Windgeschwindigkeiten aus den lokalen technischen Normen sind dabei nur die eine Seite der Medaille. Sie sagen zwar, welche Kräfte auftreten können, nicht jedoch, wie diese Kräfte tatsächlich auf die einzelnen Bauteile wirken. Das zu untersuchen ist Aufgabe des Montageanbieters. Bei den Herstellern hochwertiger Systeme sind deshalb umfangreiche Windkanal-Tests fester Bestandteil der Produktentwicklung. Mit Hilfe der dabei gewonnenen Daten lässt sich die Krafteinwirkung exakt berechnen. Wichtig ist, dass dabei sämtliche Komponenten berücksichtigt werden. In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass beispielsweise nur geprüft wird, welche Lasten die Profile aufnehmen können müssen, andere Komponenten wie Binder und Modulklemmen werden vernachlässigt.

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Schletter-Tracker während des Belastungstests im Rahmen der Produktentwicklung.

Die zweite wichtige Größe für die Berechnung ist die sogenannte Bauteilwiderstandsseite, also die Tragkraft der einzelnen Komponenten. Auch hier reichen keine reinen Berechnungsmodelle, sondern es muss getestet werden. Denn: Bei der Planung von Photovoltaik-Anlagen kommen im Bauwesen übliche Normen und Berechnungsverfahren an ihre Grenze. Hintergrund ist, dass eine Photovoltaik-Anlage nicht in einer Montagehalle unter perfekten Bedingungen errichtet wird, sondern in freier Natur. Die Toleranzen, etwa bei der Setzung von Rammfundamenten in unebenem Gelände, sind deshalb zwangsläufig größer als im klassischen Hochbau.

Aus diesem Grund kommt der gründlichen Bauteilprüfung im Rahmen der Produktentwicklung durch den Anbieter ein hoher Stellenwert zu. Seriöse Anbieter prüfen und berechnen die Bauteilwiderstände bei der Produktentwicklung mit der sogenannte Finite-Elemente-Methode, bei der das physikalische Verhalten der Komponenten unter Last aufwendig simuliert und berechnet wird. Hinzu kommen idealerweise auch echte Belastungstests. Das erhöht zwar den Entwicklungsaufwand. Es ist aber eine wichtige Voraussetzung dafür, dass ein Montagesystem auch unter extremen Bedingungen die geplanten 25, 30 oder sogar 40 Jahre hält.

4. Präzise Aufbauanleitung

Damit das, was errechnet wurde, auch in der Praxis funktioniert, muss die Anlage selbstverständlich auf der Baustelle fachgerecht montiert werden. Dafür ist eine exakte und umfassende Dokumentation und Aufbauanleitung mit entsprechenden technischen Zeichnungen entscheidend – zumal der Aufbau meistens von Fremdfirmen übernommen wird. Diese Zeichnungen umfassen nicht nur detaillierte Montageanleitungen. Sie weisen auch auf Fehlerquellen hin, wie zum Beispiel das richtige Anzugsdrehmoment von Schrauben.

5. Auf der Baustelle: Improvisieren – aber richtig

Es gibt kaum ein Photovoltaik-Freiland-Projekt, bei dem sich die Planung auf der Baustelle zu 100 Prozent exakt umsetzen lässt. Fast immer gibt es nicht vorhersehbare Schwierigkeiten, die dazu zwingen, stellenweise von der Planung abzuweichen. So stößt man beispielsweise häufig auf Felsbrocken im Boden und kann deshalb einige Rammfundamente nicht so einbringen, wie es die Planung vorsieht.

Wichtig ist deshalb eine gewisse Fähigkeit zur Improvisation auf der Baustelle – allerdings so, dass die Statik weiter gewährleistet ist. Dafür sorgt ein reaktionsschneller und erfahrener „After-Sales-Support“ durch den Montagehersteller. Idealerweise kümmern sich dieselben Techniker um die Berechnung und Umsetzung von Alternativ-Lösungen, die bereits an der Planung beteiligt waren.

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Auch in gemäßigten Zonen kommt es immer wieder zu Bauwerksausfällen durch hohe Windlasten.

6. Kann zum statischen Problem werden: Korrosion

Die Tropen sind nicht nur im Hinblick auf mögliche Windlasten eine Extrem-Region. Auch die Atmosphäre ist für Bauteile aus Stahl so aggressiv wie kaum an einem anderen Ort der Erde. So hat zum einen die Luft in Küstengebieten einen sehr hohen Chlorid-Anteil, was Korrosion massiv begünstigt und beschleunigt. Darüber hinaus herrscht eine hohe Luftfeuchtigkeit, und es kommt häufig morgens und abends zu Kondenswasserbildung auf den Bauteilen. An küstennahen Standorten treten beide Phänomene gleichzeitig auf – für Metall-Teile eine Extrembelastung.

Herkömmlicher Korrosionsschutz hält unter solchen Schwerstbedingungen nur wenige Jahre. Ist die Beschichtung erstmal „runter“, droht Lochfraß bis zum Versagen einzelner Bauteile. Das zeigt: Standfestigkeit heißt in den Tropen mehr als anderswo auch Dauerhaftigkeit. In tropischen Starkwindregionen ist deshalb ein besonders langlebiger und widerstandsfähiger Korrosionsschutz Pflicht, der mit diesen aggressiven Bedingungen zurechtkommt.

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Hohe Luftfeuchtigkeit und ein hoher Chloridgehalt in der Atmosphäre erhöhen das Korrosionsrisiko in den Tropen.

Solides Montagesystem sichert Investition

Photovoltaik-Anlagen in tropischen Regionen sind überdurchschnittlich ertragreich. Zugleich sind sie überdurchschnittlichen Risiken ausgesetzt – durch Wirbelstürme, Starkregen, Luftfeuchtigkeit und Korrosion. Investoren und Projektentwickler sollten deshalb bei der Auswahl und Planung des Montagesystems sehr genau hinschauen. Warum sich das lohnt, zeigt ein einfaches Rechenbeispiel: Das Montagesystem macht nur rund 10 Prozent der Gesamtinvestition aus, die Module rund 70 Prozent. Wer hier die falschen Prioritäten setzt, riskiert einen teuren Scherbenhaufen.

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